Montag, 1. Februar 2010

Steuerdaten kaufen?

Seit gestern wird eifrig darüber diskutiert, ob der Staat Daten von Konten in der Schweiz kaufen dürfe, die sich jemand unrechtmäßig besorgt hat.

Das ist grundsätzlich betrachtet eigentlich ein typisches ethisches Problem: darf man etwas machen, was moralisch falsch ist, wenn man dadurch einen Vorteil für viele schafft? Heiligt der Zweck die Mittel? Ich bin ein Anhänger des Utilitarismus, der verkürzt gesagt das als richtig ansieht, was die Gesamtmenge des Glücks erhöht. Die einfache Antwort hier wäre dann "ja, es ist erlaubt", denn man kann mit einer Aktion das Glück weniger erniedrigen, wenn man damit das Glück von vielen erhöht.

So einfach ist es aber nicht, denn es sind immer auch Regeln zu beachten. Wenn man die Regel "du sollst keine Daten stehlen" schwächt, indem man den Dieb bezahlt, dann kann das später zu einigem Unglück führen. Darauf weisen jetzt auch insbesondere Datenschützer und Rechtsanwälte in gewisser Weise hin.

Andererseits, wenn einer eine Regel ignorieren darf, dann ist es der Staat. Er ist in einer Ausnahmeposition: was dem Staat erlaubt ist (etwa Daten stehlen), ist anderen deswegen noch lange nicht erlaubt. Deshalb schwächt es die Regel nur wenig, wenn der Staat sie bricht. Der Staat hat z.B. auch ein Gewaltmonopol, könnte er nicht auch ein Datenklaumonopol haben? Und in der Tat, Geheimdienste belohnen schon seit jeher Informanten für illegal beschaffte Daten, und auch die Kronzeugenregelung ist nicht unbedingt etwas anderes.

Darf der Staat dann jegliche Regel brechen? Natürlich auch wieder nicht. Man benötigt einen Vertrauensschutz; jedem Bürger muss klar sein, was der Staat darf und was nicht, sonst führt die Unsicherheit zu einer großen Menge Unglück.

Also muss man in diesem Fall sich die konkrete Regel ansehen. Sie lautet wirklich, wenn man es ganz konkret nimmt: "der Staat darf keinen Einblick in die Konten des Bürgers nehmen, auch nicht zum Zwecke der Steuerfahndung". (Sie lautet nicht: "man darf keine Daten klauen", denn der Staat unterstützt hier nicht irgendeinen Datenklau, sondern einen ganz bestimmten. Sie lautet auch nicht "man darf keine Kontodaten ansehen", denn der Staat veröffentlicht die Daten hinterher nicht, sondern behält die Daten dann bei sich.)

Aber so eine Regel gibt es eigentlich nicht. Sie gibt es nur in der Schweiz; in Deutschland dürfen die Finanzämter in die Konten reinschauen (den genauen Sachverhalt kann man hier nachlesen). Von daher ist es wahrscheinlich nicht besonders schlimm, die spezielle Form der Regel "der deutsche Staat darf auch zum Zwecke der Steuerfahndung keinen Einblick in die Konten des Bürgers im Ausland nehmen" zu brechen. Der Vertrauensschutz wird dadurch nicht sehr geschwächt; auch und vor allem wenn man annimmt, dass so ein Auslandskonto gerade deswegen eingerichtet wurde, damit man Steuern hinterziehen kann.

Andererseits kann durch den Kauf der Daten eine ganze Menge Glück entstehen, weil der Staat direkt und indirekt (durch die Stärkung der Steuermoral) mehr Geld zur Verfügung hat; und weil sich die ehrlichen Steuerzahler gerecht behandelt fühlen.

Von daher sagt mir meine Abwägung: es ist moralisch richtig, wenn der Staat diese Daten kauft.

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